Musik | Hörtest
King Gizzard & the Lizard Wizard – L.W.
„Ein King Gizzard & the Lizard Wizard Album ist wie eine Schachtel Pralinen – man weiß nie was man bekommt.“ – ich bin mir sicher, etwa sowas muss Forrest Gumps Mutter damals einfach gesagt haben. Zu vielfältig ist die Diskografie der sieben Australier, zu groß sind die Genresprünge von Psychedelic Rock zu Heavy Metal, von Bluesrock zu Jazz.
Ein wenig Gewissheit wohin die Reise diesmal geht gab es aber doch: Der Titel des Vorgängeralbums K.G. ließ uns den Namen des neuen Albums erahnen. L.W. ist das siebzehnte Studioalbum der Band und knüpft dabei nahtlos an den psychedelischen und irgendwie orientalischen Sound seines Vorgängers an. Für Ohren, die westlich geprägte Musik gewohnt sind, ein Ausflug in eine seltsame Klangwelt.
Mit If Not Now, Then When? eröffnet das Album mit einer Finte. Die verzerrte Gitarre macht uns vor, dass es roh und laut wird. Dann verstummt sie. Der Track wird schneller, lockerer. Und plötzlich kommen ansteckende Funk-Vibes aus den Boxen.
In Songs wie O.N.E., East West Link oder Ataraxia mischt sich der Rock-Sound gewohnter Stromgitarren mit orientalischen Klängen zu einer Wall of Sound. Der Grund: Die sogenannte Mikrotonalität. Gespielt wird auf Instrumenten mit Skaleneinteilungen, die denen aus dem mittleren Osten nachempfunden sind. Frontmann und Produzent Stu Mackenzie spielte dazu bereits im neunten Studioalbum Flying Microtonal Banana auf seiner modifizierten knallgelben Gitarre mit mikrotonalen Bünden.
So erklingen in Supreme Ascendancy auch asiatisch anmutende Töne, die sich zusammen mit einer schmatzenden Hammond-Orgel, einem dynamischen Beat und Ambrose Kenny Smiths unaufdringlichen Vocals von anderen Titeln abheben.
Wie auch in vorherigen Alben nehmen die Songs Bezüge auf aktuelle Themen. Pleura ist nicht nur das Brustfell, was die Lungen umschließt und uns die Atmung ermöglicht. Es ist auch der Titel eines Songs, der sich mit der Pandemie zu beschäftigen scheint, ohne es mit dem Holzhammer in die Gehörgänge zu prügeln.
Ja, die Jungs aus Melbourne machen vieles anders. In Zeiten, in denen 2-Minuten-Tracks für Streamingplattformen geschrieben werden, damit sie mehr Klicks generieren, bleibt ihr Songwriting scheinbar der Langspielplatte treu. Der Schlusstitel K.G.L.W. klingt erst nach über acht Minuten aus. Minimalistische Lyrics legen sich auf bombastische Gitarren, die Songstruktur ist ungehalten.
Für mich ist das Album ein absolutes Muss für alle Indie-Fans. Zwar ist nicht jeder Chorus so eingängig, dass er sich als Ohrwurm auf ewig im Kopf verbeißt. Der atemberaubende Klangteppich holt das aber lange wieder raus. Was Abwechslungsreichtum und Individualität angeht, macht ihnen niemand etwas vor. Es bleibt zu warten, was die nächste Klangschachtel von King Gizzard & the Lizard Wizard bereithält.
Bild: King Gizzard & the Lizard Wizard & Flightless