Musik | Hörtest

Post_Malone_-_Austin
Post_Malone_-_Austin

Post Malone – Austin

5. September 2023
von Jan Kumpmann

Keine Features und der bürgerliche Vorname als Albumtitel. Jeder erfolgreiche Künstler hält nun mal irgendwann die Zeit reif für das erste ganz persönliche Album. Mit seinem fünften Studioalbum Austin nutzt Post Malone diesen Anlass, um noch weniger als ohnehin nach Rap zu klingen.

Post Malone hat mit dem Laufe seiner Karriere immer wieder aufs Neue bewiesen, dass er ein vielseitiges Multi-Talent ist und längst einen ganz eigenen Stil etabliert hat. Diesmal entfernt er sich komplett vom Trap-Pop und setzt auf massentauglichen Synth-Pop. Dass er Gitarre spielen kann, wissen wir von seinen anderen Alben, nun spielt er auf Austin in jedem Song das Saiteninstrument, begleitet damit seinen gefühlvollen Gesang und erschafft teilweise gelungene, nah am Zeitgeist liegende Radiomusik. Ob er damit jedoch wirklich einen starken Stilbruch bezweckt und ob dieses Album auf lange Sicht so gut ankommen wird, wie seine anderen Werke, ist für mich allerdings fraglich.

Die Lead-Single Chemical spart nicht an sanften Feelgood-Gitarrenmelodien, gepaart mit einer unausweichlichen Trennungsgeschichte als Leitmotiv. Sie ist simpel, macht Spaß und schafft eine wunderschöne Atmosphäre. Die Produktion ist unkompliziert, aber keineswegs schlecht. Der Song tut das Nötigste, um zum absoluten Ohrwurm zu werden. Beim genaueren Blick bleibt das Storytelling jedoch ebenso wie die Instrumentals ähnlich facettenlos. Das Spannendste dabei bleibt, dass er von einer Kneipenschlägerei mit der Geliebten erzählt, während im Hintergrund The White Stripes laufen („seven nation army, fighting at the bar with you“). Dass der Song jedoch trotz der scheinbar wenigen Ebenen einen dazu bringt, sich im Auto die Seele aus dem Leib zu schreien, ist dann umso beachtlicher.

Persönlicher Bezug: Post Malone will sein Leben ändern – und auch seine Musik

Aber nicht alle bereits prominenten Tracks des Albums wirken einfallslos. So überzeugt Overdrive mit knappen, aber dafür sehr ehrlichen Worten. Post Malone ist zum ersten Mal Vater geworden. Bei seiner Tour zu seinem vorigen Album Twelve Carat Toothache erzählt er den Zuschauern auf seinem Konzert in Köln, dass er ein zuliebe seiner Tochter den Drogen den Rücken kehren will. Mourning ist dabei die intensivste Auseinandersetzung mit seinem Alkoholismus. Er kann der Alkoholsucht noch nicht ganz entkommen („Thought i was strong enough / Threw my bottle at the sky, said „God that‘s a warning“ / Don‘t want to sober up / Try to keep it inside, but I just want to pour it“).

Auch in Something real moniert er, dass er den Whiskey zum Einschlafen braucht. Er würde sofort sein Leben eintauschen, um endlich Frieden zu finden („Whiskey lullaby just to fall asleep / I would trade my life just to be at peace“). Frieden mit sich selbst, um diesen seiner Familie zu vermitteln und zu geben? Wo er inhaltlich noch nicht wirklich weiterkommt, macht er dagegen auditiv größere Fortschritte. Selten wirkte seine Stimme so klar und bis auf ein bisschen Reverb gänzlich unbearbeitet. Unterstützt wird er zudem von einem mächtigen Chor-Sample. Er geht also hier auch musikalisch weg von seinem alten Lebensstil und den oft wahren Vorurteilen über Rapper. Ebenso wendet er sich der neugewonnenen Vernunft in Green thumb zu, in der er über Rückfälle in die Alkoholsucht spricht, zumindest aber andere Drogen wohl keine Rolle mehr spielen.

Die Intention von „Posty“ kommt durch viele der Songs rüber. Er schafft es, mit viel Emotion in Bezug seine Selbstzweifel und die Angst vor neuer Verantwortung den Hörer zu berühren. Vor allem für langjährige Fans, zu denen ich mich auch zähle, wird das Album dadurch aufgewertet. Auch wenn einige starke Songs dabei sind, klingt vieles zu ähnlich und bleibt arm an krassen Höhepunkten. Ob Ozzy Osbourne, Doja Cat oder Travis Scott: Auf seinen letzten zwei Alben wurde man durch viele starke Features und auch durch mehr eigene Varietät und einprägsamere Refrains stärker überrascht. Das persönlichere Album kam musikalisch womöglich zu früh, wird persönlich für Post Malone jedoch der richtige Schritt zum richtigen Zeitpunkt gewesen sein.

 

Foto: Post Malone, Mercury Records, Republic Records