Musik | Hörtest

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Linkin Park – One More Light

2. Juli 2024
von Daniel Achenbach

CN: Suizid

Wahrscheinlich gehört es zu den am meisten diskutierte Musikalbum der Band beim Release, weil es so anders ist, als das, was die Fans von Linkin Park bis dato gewohnt waren. Im Hörtest haben wir uns schon mit Hybrid Theory (2000) befasst — dem ersten Album von Linkin Park. Heute befassen wir uns mit dem letzten Album der Band: One More Light (2017).

 

Mit One More Light schlug Linkin Park im Mai 2017 eine neue Richtung ein, die bei den Fans heiß diskutiert wurde. Während Linkin Park bis dahin eher für den bei ihren Fans so beliebten Rap-Rock-Metal stand, wurden in dem neuen Album One More Light weitaus poplastigere und mainstreamfähigere Töne angeschlagen. In den zehn Liedern und rund 35 Minuten hören wir eine ungewohnt ruhige Stimme von Chester Bennington – dem Leadsänger der Band.

 

Das erste Lied auf dem Album, Nobody Can Save Me, macht den Genre-Wechsel schnell hörbar. So ersetzt ein harmonischer Synthesizer die eigentlich obligatorische E-Gitarre. Auch Autotune erhält in diesem Song Einzug. Was bleibt, sind zumindest auf textlicher Ebene die tiefen Inneneinblicke, die Chester Bennington  gewährt und die zwischen Verzweiflung und Hoffnung hin- und herpendeln.

Das wird dann deutlich, wenn man sich den Chorus anhört.

 

„I’m holding up a light,

chasing out the darkness inside

cause nobody can save me.“

In der letzten Strophe wird dieser dann entschieden geändert.

„And only I can save me now

I’m holding up a light,

chasing out the darkness inside

and I dont wanna let you down.“

 

Mit diesem ersten Stück ist der Ton des Albums gesetzt. Die Spannweite zwischen Verzweiflung und Hoffnung taucht nämlich in mehreren Liedern auf.

 

Das Album beinhaltet zwei Features, wobei bereits der zweite Song, Good Goodbye, ein solches parat hält. Die Strophen des Tracks werden von den beiden Rappern Pusha T und Stormzy gerappt, Bennington singt im Refrain über den einen irgendwie traurigen aber auch versöhnlichen Abschied. Auch hier fehlt die E-Gitarre. Good Goodbye ist im Refrain langsam, in den Rappassagen nimmt er Fahrt auf, bleibt auch hier noch recht langsam.

 

„Pick it up and disappear

You better have some place to go

‚cause you can’t come back around here

good goodbye“

 

Mit Talking To Myself kehrt die E-Gitarre zurück. Das Stück ist das schnellste auf dem Album und erinnert am ehesten an die älteren Stücke. „I can whisper; i can yell“ ist eines der Zitate, welches nicht nur die Voice Range von Chester Bennington zeigt, sondern zudem auch die Spannweite des Albums One More Light gut einfängt. Bennington singt weite Teile des Lieds beinahe ohne instrumentale Begleitung, bevor im Refrain das gesamte Rockorchester einsetzt. Talking To Myself gehört daher zu den eher lauteren Songs des Albums und beschreibt die gescheiterte Kommunikation zwischen zwei Menschen. Es lässt sich aber auch als Selbstanklage interpretieren, bei dem das Lyrische Ich mit seinem Spiegelbild redet und seine eigene Beratungsresistenz kritisiert.

 

Heavy ist sicherlich der bekannteste Song des Albums. Durch Kiiaras Feature bildet das Lied ein gut gelungenes Duett, bei dem sich beide Stimmen gut ergänzen. „Why is everything so heavy?“ – diese Frage wird sich schon jede:r einmal gestellt haben – im Song taucht sie auch auf. Obwohl das Lied ganz klar um persönliche Probleme kreist und sich auf sie einschießt, stellt es auch Lösungen Aussicht. „If I just let go, I’d be set free“. So zeigt das Lied auch einen Ausweg von Selbstzweifeln, Überforderung und Müdigkeit auf. Im Kopf bleibt jedoch die Hook des Refrains: „Why is everything so heavy?“.  Der Song ist gewissermaßen die Nutshell des Albums: Viel Problemorientierung aber eben auch der notwendige Austritt aus diesen.

 

Invisible und Sorry For Now werden von Mike Shinoda gesungen. Gerade beim erst genannten Lied könnte der Anfang problemlos von einem Lied eines früheren Albums stammen. In Sorry For Now wird mit elektrischen Verzerrern gearbeitet, die sonst ein bewährtes Mittel bei Galantis oder Major Lazer sind. Aber hier bei Linkin Park sind sie neu – vor allem in der Häufigkeit. Shinoda entschuldigt sich in dem Lied dafür, dass er nicht anwesend ist und prophezeit, dass es einen Tag geben wird, an dem man verstehen werde. Während diese Zeile noch im Kopf nachschwingt, setzt Bennington mit einem rasanten Rappart ein. Sorry For Now ist das abwechslungsreichste Lied auf diesem Album.

 

One More Light ist der Titel des nächsten Songs und des Albums. Entsprechend ragt der Status dieses Liedes hervor. Diese Ballade ist über weite Teile ruhig gesungen. Aber Chester Bennington schafft es, durch seine zweifelnde und resignierende Stimme diesen Genrewechsel authentisch zu meistern. Es ist unmöglich, ein geeignetes Zitat aus dem Lied herauszupicken. Das Lied muss als Gesamtwerk, wie das gesamte Album, verstanden werden und steht ebenfalls im unmittelbaren Zusammenhang mit Benningtons Biografie.

 

 

Während die eine oder andere Träne in Folge von One More Light getrocknet werden muss, ist Sharp Edges nicht nur das dazu passende Pflaster, sondern auch ein Mutmacher. Durch schnelle Gitarrenakkorde verbreitet das Lied eine fröhliche, beruhigende und tröstende Stimmung.

 

„In the kitchen, one more chair

than you need, oh.“

 

In den letzten Zeilen des Albums kehrt die Hoffnung, die Zuversicht und vielleicht auch die Jetzt-erst-recht-Mentalität zurück.

 

„Every scar is a story I can tell

We all fall down

We live somehow

We learn what doesn’t kill us

makes us stronger.“

 

Das ist die Botschaft, welche Linkin Park ihren Hörer:innen hinterlässt.

Foto: Linkin Park/Warner/Machine Shop