Musik | Hörtest

Hörtests des Jahres 2018 – Woche 1

26. November 2018
von Musikredaktion

GoGo Penguin – A Hudrum Star

GoGo Penguin sind schwer zu fassen. Das Trio aus Manchester nennt seine Musik selbst „druckvollen Jazz, der auf Electronica trifft.“ Und richtig: Jazz ist auch auf dem dritten Album A Hudrum Star überall dabei, Electronica auch. Aber eben noch viel mehr. In Raven werden Chris Illingworths Klavierakkorde im Thema fast schon trance-artig mit Hall verfremdet, die Kontrabasslinie von Nick Blacka pluckert alles von Vierviertelbeats bis zu solistischen Schleifen (Return To Text) und Rob Turner feuert am Schlagzeug so manches Triphop-Feuerwerk ab. Letztendlich machen GoGo Penguin also eigentlich elektronische Musik auf akustischen Instrumenten. Und damit schaffen die drei Engländer immersive Klangwelten, die auch beim hundertsten Durchlauf mit den Stimmungswechseln, Repetitionen und ihrem Detailreichtum wie ein Strudel alles vereinnahmen. Sei es sphärisch-progressive Bedrohlichkeit (Prayer), hoffnungsvolle Sehnsucht (Bardo) oder nachdrückliche Entschlossenheit (Reactor): A Hudrum Star ist ein Album für die Ewigkeit.

Benedict Weskott

 

Zeal & Ardor – Stranger Fruit

Auf Innovation folgt bei Zeal & Ardor Progression. Punktete das Debütalbum Devil is Fine vor allem noch mit einem bis damals ungehörten Sound, verfeinerten ihn die Schweizer dieses Jahr auf Stranger Fruit. Die Melange bleibt grob die Gleiche: Soul und Gospel treffen auf Black Metal. Und diesmal funktioniert das sogar noch besser! Die Songs wirken durchdachter, die Einflüsse fügen sich zu einem noch homogeneren Klangbild und besonders die Dynamik der Tracks ist noch einmal ausgeprägter. Innerhalb weniger Momente geht es von Handclaps zu Blastbeats, von souligem Gesang zu bösem Gekeife, und trotzdem wirken die Songs wie aus einem Guss, und diesmal sogar fast zugänglich. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Mastermind Manuel Gagneux auch noch unglaublich lässige Gesangsmelodien einwebt. Gleichzeitig eines der seltsamsten und vielleicht gerade deshalb besten Alben 2018!

Max Afemann

 

Florence + The Machine – High As Hope

Ich muss ehrlich gestehen, als ich das erste Mal in Florence + The Machines neues Album reinhörte, wurden meine Erwartungen nicht erfüllt. Ich fühlte mich erschlagen von dem monumentalen Klang, der sich auf High As Hope anbahnte: das Zusammenspiel von Harfenspiel, dynamischen Trommelwirbeln und Kirchenorgel, in Verbindung mit Florence Welch einnehmenden Gesang hatten etwas Überzeichnetes an sich, das ich anfangs nicht recht einordnen konnte. Dennoch lies mich der Klang des mittlerweile vierten Longplayers der Band nicht los und mit jedem Mal, das ich in High As Hope reinhörte, merkte ich auch, wie ich mich Stück für Stück in dieses Album verliebte. Es sind vor allem die persönlichen Nuancen, die Florence Welch dieses Mal in High as Hope einfließen lies: Grace ist eine Ballade, die sie ihrer jüngeren Schwester widmet. Patricia ist eine Ode an Patty Smith, deren Lyrik die Arbeit an High As Hope stark beeinflusst hat. Und in South London Forever gewährt Welch, untermalt von engelsgleichem Gesang, einen Einblick in ihre Jugend. High As Hope klingt näher und persönlicher und ruft bei mir Konnotationen an meine eigene Jugend hervor, als ich Florence + The Machines Musik vor einigen Jahren für mich entdeckt habe.

Isabela Przywara

 

Courtney Barnett – Tell me How You Really Feel

Schande über mein Haupt: Bevor unsere Musikchefredakteurin Courtney Barnett einen Silberling widmete, kannte ich die Singer-Songwriterin gar nicht. Als dann aber der Song Charity in der CT-Playlist landete, war es sofort um mich geschehen – und ich saugte das komplette Album auf wie ein musikdurstiger Schwamm. Die sonst eher folkige Barnett traut sich auf Tell Me How You Really Feel mehr in Sachen Grunge. Die überragenden Texte, für die Barnett gefeiert wird, gehen dabei nicht verloren. Mit der Gelassenheit eines Lou Reeds singt die Australierin über Seele (City Looks Pretty) und Gesellschaft (Nameless, Faceless), ohne dabei ihre gewitzte Art im Pathos zu verlieren. Mein Album des Jahres!

Louisa Heerde

 

Die Nerven – Fake

Als ich Ende April zum wiederholten Mal das neue Album von Die Nerven hörte, dachte ich mir nur: „War es das schon? Wurde mein Album des Jahres schon im April veröffentlich?“ Nun lässt das Auftauchen des Albums in dieser Sparte genau darauf schließen. Hier könnten allerdings auch Iceage stehen. Oder Daughters. Oder Blood Orange. 2018 war ein absolut überragendes Jahr für Musik und am Ende entscheiden dann nur marginale Faktoren über Platz 1. Auf Fake zeigen sich Die Nerven wahrscheinlich so flexibel und konsistent stark wie nie. Ambivalente Texte und Songstrukturen und eine unterliegende Resignation mit der Welt zeichnen dieses Album aus. Hier und da schwingt auch Revolte durch, aber nie auf eine plumpe oder gar selbstdarstellerische Art und Weise. Viele Alben schafften es in 2018, den Status quo unserer Gesellschaft prägnant darzustellen, Fake ist eines davon. 

Pierre Rosinsky

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