Musik | Hörtest
Ry X – Unfurl
Der Urlaub geht zu Ende, man fährt mit dem Auto über die leere Autobahn der Morgensonne entgegen. Ein bisschen müde, ein bisschen melancholisch, aber doch zufrieden. Abgerundet wird die Fahrt durch atmosphärische Musik, die in dem Moment den perfekten Soundtrack zu liefern scheint. Doch während man anfangs die Ruhe und das Entschleunigte genießt, will man irgendwann auch Zuhause ankommen. Genau so hört sich das zweite Studioalbum des Australiers Ry Cuming alias RY X an – leider.
Unfurl knüpft musikalisch zwar an seinem Vorgänger Dawn an, bringt aber auch einige neue Ideen mit. Waren die alten Lieder eher vom Typ ruhiger Schmuse-Indie, der sich gut in Coming-Of-Age-Serien macht, bieten die neuen Songs stellenweise fast schon eine Art The XX-Verschnitt. Das ist keineswegs negativ gemeint, denn das Upgrade, wenn man es so nennen mag, hin zu dynamischeren Liedern und mehr elektronischen Elementen tut RY X gut! Das Zusammenspiel modernerer Aspekte, dem ruhigen Piano und der hohen Stimme des Sängers, die auf positive Art und Weise ein wenig fragil klingt, ist nahezu hypnotisch.
Wo liegt also das Problem an Unfurl? Es ist schier zu perfekt. Das auf Sicherheit setzende Konzept – ruhiger Anfang, zerbrechlicher Gesang, mit dem Verlauf des Songs zunehmendes Tempo und Lautstärke und ein banaler, sich wiederholender Text – trägt sich vielleicht über die erste Hälfte des Albums, wirkt aber irgendwann ausgelutscht. Man wünscht sich, RY X würde aus seinem Schema ausbrechen und mehr wagen, vielleicht ein wenig von der Dynamik aus seiner Kollaboration mit Odesza ins eigene Werk übernehmen. Doch statt Abwechslung, kommt ein 4:30 Lied nach dem anderen.
So kommt es auch, dass es kaum Songs gibt die herausstechen, so wie das 2013 durch eine Werbung bekannt gewordene Berlin. Lediglich YaYaYa, welches durch seinen mehrstimmigen, kraftvollen Refrain auffällt, und Foreign Tides, das durch seine Schnelligkeit wesentlich poppiger wirkt als der Rest des Albums, bleiben auch nach dem ersten Hören im Kopf hängen. Von den anderen, eher ruhigeren Liedern, ist mir persönlich noch Hounds im Ohr geblieben, in dessen Text RY X quasi direkt eine Anleitung mitgibt, wie Unfurl zu hören ist: „I lay my body down / To listen to the sound / I let my heart peek out / To listen to the sound“.
Anstatt Hit an Hit, bietet Unfurl letztlich eher ein atmosphärisches und intimes Gesamtkonzept, dessen Schlichtheit sich auch in dem schwarz-weißen Coverportait widerspiegelt. Doch so gut die Songs einzeln für sich auch klingen, durch die vielen Wiederholungen schafft es Unfurl in den 51 Minuten leider nicht, sich gemäß seines Namens zu entfalten.