Musik | Hörtest
Dinosaur Jr. – Sweep It Into Space
Vielleicht hat ein riesiger Asteroid vor sechsundsechzig Millionen Jahren die Dinos ausgelöscht. Die Indieband Dinosaur Jr. muss das Schicksal ihrer Namensvetter noch lange nicht teilen. Ihr letztes Studioalbum Give a Glimpse of What Yer Not erschien vor fast fünf Jahren. In der Zwischenzeit gab es mit den Alben Elastic Days von Frontmann J Mascis und Act Surprised vom Bandprojekt Sebadoh des Bassisten Lou Barlow kleine Lebenszeichen der Dinosaur Jr.-Mitglieder. Aber steuert die Band selbst auf ihr Aussterben zu?
Sweep It Into Space schlägt in dieselbe Bresche wie sein Vorgänger und verändert nichts am bekannten Dinosaur Jr.-Rezept: Alle Songs sind dynamische Indie-Hymnen mit lärmenden Gitarren und einer Menge Fuzz. Eine Melodie jagt die nächste und auf fast alle Tracks legt sich J Mascis gepresste Stimme. Die Klangfarbe der Songs hat dadurch einen melancholischen Einschlag, selbst wenn die zugrunde liegende Thematik gar nicht düster ist.
Retro eben. Denn auch wenn die drei jetzt als Mittfünfziger gelten, orientieren sich J Mascis Texte immer noch an seiner Skater-Ästhetik. Damit sprechen sie Bände über die Ups and Downs des Lebens. Es geht um Unsicherheit, darum sich selbst zurückzuziehen und um Depression, bevor man – wie in And Me – „back on track and upside down“ weitermacht.
Im Opener I Ain’t wird es mit der Zeile “I ain’t good alone“ direkt persönlich. Und in I Met The Stones verarbeitet J sein Treffen mit einem seiner Idole, dem Rolling Stones-Drummer Charlie Watts. Die Trommeln auf Sweep It Into Space gehören allerdings ganz Schlagzeuger Murph, der sich als gewohnt zuverlässige rhythmische Stütze gibt.
Alles bleibt damit beim Alten für das fünfte Album nach Reunion in Originalbesetzung. Nur hier und da brechen kleine Elemente das Songwriting auf. So hat die Akustikgitarre in And Me einen deutlichen The Cure-Einfluss und in Take It Back setzt sich J für einige Akkorde im E-Piano-Sound ans Mellotron-Keyboard. Inspiriert durch die Twin Lead-Gitarren von Thin Lizzy, holte Mascis außerdem den Solokünstler und The War On Drugs-Gründer Kurt Vile als Produzenten mit an Bord.
Traditionell gibt es seit dem Comeback Album Beyond zwei Tracks, die von Lou Barlow geschrieben werden. Garden und I Wonder lehnen sich in Richtung des Lo-Fi-Sounds von Sebadoh und stellen zwei Ruhepole auf der Platte dar, ohne sich vom Gesamtwerk zu entfremden.
Große Überraschungen gibt es dann aber doch nicht. Zum Glück? Diesen Sound seit der Wiedervereinigung auf einem so hohen Niveau zu halten, ist eine fantastische Leistung. Trotzdem kann der Melodiebrei schnell zäh für Ohren klingen, die den Sound von Dinosaur Jr. nicht gewohnt sind. Wenn die Scheibe aber einige Umdrehungen hinter sich hat, die Melodien sich langsam in den Kopf fressen und das Klangerlebnis transparenter wird, ist klar: Mit Sweep It Into Space wird jeder todbringende Feuerball zurück in den Weltraum geschleudert.
Bild: Dinosaur Jr. / Jagjaguwar