Musik
Hörtest des Jahres: Woche 3
Apparat – LP5
Wie aus der Zeit gefallen mutet Apparats Werk LP5 an. Auf 45 Minuten Albumlänge schafft es Sascha Ring einer zurückhaltenden Symbiose aus elektronischen und organischen Klängen einen melancholischen, beruhigenden Raum zur Entfaltung zu geben. Anstelle seelenlos aneinander gepappter Hits, finden sich auf LP5 Stücke, die mit punktuellen Bässen, treibend, beinahe unbemerkt ineinander fließen. Mit einer feinen Kombination aus leisen Drums, sanften Streichern und perfekt abgestimmten Synthesizern wird Rings unverwechselbarer Stimme ein klangvolles Bett gegeben, von dem man sich gerne auffangen lässt. Für mich ist LP5 ein wunderschön-atmosphärisches Album, das seinen Hörer*innen durchaus Geduld abverlangt, anschließend jedoch mit vielen und immer wieder neuen Höhepunkten aufwartet.
von Carolin Landreh
Rival Sons – Feral Roots
Rock n‘ Roll is Dead – das hört man immer wieder, sobald andere Leute über das Genre der Rockmusik sprechen. Dabei weiß Rock auch heute noch durch seine vielfältige Spielweise zu überzeugen. Diese Vielfalt, mitunter durch Garage-, Blues-, Hard- und Retro-Rock, macht die Musik lebendig und alles andere als langweilig. Ein Beispiel für die ungebrochene Lebendigkeit des Rock n‘ Roll ist die Band Rival Sons aus Long Beach in Kalifornien. Seit ihrer Gründung in 2008 ist die Band aus dem Retro-Rock nicht mehr wegzudenken. Mit ihrem aktuellen Album Feral Roots haben sie einen energiegeladenen Meilenstein ihrer Musikkarriere erschaffen, der ihnen sogar eine Grammy-Nominierung für das beste Rockalbum eingebracht hat. Als ich die Band zum ersten Mal vor ein paar Jahren zufällig bei Spotify gefunden habe, war ich mehr als positiv überrascht. Das aktuelle Album Feral Roots hat dabei alle Erwartungen, die ich hatte, übertroffen.
von Rebekka Helfrich
Trettmann – Trettmann
Trettmann schaffte es mit seinem gleichnamigen Album Trettmann mein musikalisches Highlight des Jahres zu werden. Die Ansprüche an den chemnitzer Rapper waren nach seiner vorherigen Platte #DIY hoch. Zusammen mit KitschKrieg gelang Trettmann jedoch ein weiteres zeitloses Album, welches Themen anspricht, die aktueller nicht sein könnten. Mit dem Song Stolpersteine beispielsweise thematisiert der Rapper die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit und erinnert an die Opfer der NS Zeit. Die Dichte an Persönlichkeit, die in diesem Album steckt, ist meiner Meinung nach kaum noch zu überbieten, was man im Song Margarete verzeichnen kann. KitschKrieg und Tretti schaffen ein Album, das nicht nur von seiner lyrischen Tiefe lebt, sondern auch nach vorne geht. Features wie GZUZ auf dem Song Du weißt geben der Platte eine druckvolle Facette. Trettmann ist für mich aufgrund seiner Vielfältigkeit mein Hörtest des Jahres und für mich zurecht mit 45 getrendet.
von Florian Plath
Miley Cyrus – She Is Coming
Von den Zeitungen als „Skandalnudel“ betitelt, ist Miley Cyrus den meisten Leuten wohl entweder durch ihre Zeit als Hannah Montana oder eben durch ihre extravagante Selbstdarstellung bekannt. Wer dachte, dass die Sängerin mit ihrem letzten Album Younger Now (2016) der Provokation abgeschworen und sich den zugegebenermaßen etwas belanglosen, aber eingängigen Popsongs verschrieben hat, dürfte, wie ich, von der EP She Is Coming sehr überrascht worden sein. Hier findet Miley Cyrus irgendwie die Mitte zwischen beidem, entwickelt sich aber gleichzeitig musikalisch und auch textlich weiter. Sie singt einerseits über Drogen und Sex (D.R.E.A.M., Cattitude), andererseits dann aber auch über Herzschmerz und das Image, das die Medien ihr verpasst haben (The Most, Unholy). Während einige der Songs musikalisch eingängig und poppig sind, wie schon Wrecking Ball und Party in the U.S.A zuvor (bspw. Mother’s Daughter und The Most), wirkt Cattitude wie eine exzentrische Achterbahnfahrt durch eine Folge RuPaul’s Drag Race. Es scheint, als habe sich Miley Cyrus hier mit der EP selbst gefunden: Jeder Song steht für sich alleine, ist von einem EP-übergreifenden Genre-Konzept befreit und so finden sich Wu-Tang Clan Samples (D.R.E.A.M.) neben feministischen Messages (Mother’s Daughter) und einem verträumten Indie-Song mit Feature von Rapper Swae Lee (Party Up the Street) wieder. Diese Abwechslung und das Selbstbewusstsein, das Miley Cyrus in der EP ausstrahlt, machen She Is Coming zu meiner Platte des Jahres.
von Jessica Krzonkalla
Hozier – Wasteland, Baby!
Kann der Weltuntergang schön sein? Für Hozier ist das ein Leichtes. Der irische Folk-Musiker begibt sich mit seinem zweiten Album Wasteland, Baby! mit gewohnt poetischer Bildgewalt auf eine Reise in die griechische Mytholgie, beklagt die süßen Leiden der Liebe und singt Lobhymnen auf politischen Aktivismus. Andrew Hozier-Byrne, von Fans “bog man” genannt aufgrund seiner Körpergröße und Faible für naturmagische Metaphern, zeigt auch hier, dass seine Wurzeln im Bluesrock liegen. Dass dies mit einer gehörigen Portion Pathos geschieht, versteht sich von selbst. Wenn die Bahnfahrt mal zu langweilig ist, entführt mich Hozier immer in eine andere Welt, in der das Schwafeln über Orpheus das Vorspiel ersetzt und der Weltuntergang gar nicht mehr so schlimm wirkt.
von Rebecca Wells