Musik | Hörtest

Hörtests des Jahres 2017 – Woche 4

17. Dezember 2017
von Musikredaktion

Benno Gut – Heim

Der Sommer 2017 soll ja teilweise recht schön gewesen sein. Das habe ich zumindest gehört – ich war nämlich zu der Zeit komplett im Bachelorarbeitsmodus und habe dementsprechend „Wetter“ höchstens aus Anekdoten in Primärliteratur überliefert bekommen. In dieser eher tristen Situation traf mich Benno Guts Album Heim wie ein Pfeil in das zwischen Schreibtisch und Bibliothek wandelnde Herz. Innerhalb einer Woche hatte ich alle Phasen der Cloudrap-Lesarten durch: Aus einem „Hä? Was soll das? Aber irgendwie ist das schon lustig“ am Montag, war gegen Freitag bereits eine Analyse der das Album bestimmenden Haus- und Wasser-Metaphorik geworden. Wenn man sich mit Heim nämlich ein bisschen tiefergehend auseinandersetzt, erkennt man hinter den vorerst zugegebenermaßen belustigenden Texten mehr: Der Alltagstrott dämpft das Hirn (Dumm); der Körper beherbergt die Seele wie ein im Regen stehendes Haus die schlecht gegossenen Zimmerpflanzen (Schlot/Regen). Danke, Benno: Ich konnte es nicht live miterleben, aber du hast mir das Wetter zumindest emotional nahegebracht.

Louisa Heerde

 

Giant Rooks – New Estate

Die Artpop-Sensation des Jahres, an der man in 2017 nur schwer vorbeikommen konnte. Auch wenn Giant Rooks sich mit solchen – laut eigener Aussage – hochgegriffenen Kategorisierungen etwas schwer tun, muss man sich wohl eingestehen, dass 2017 ein gutes Musik-Jahr für die fünf Jungs aus Hamm war. Konzerte, Festivalgigs und mit ihrer zweiten EP New Estate Teile der bereits live gehörten Songs nun endlich auf Platte. 21 Minuten lang zanken sich Gitarre und Piano um die immer wieder zu hörenden Melodie-Spielereien, während sich die Backing Vocals sanft um die raue Stimme von Sänger Frederik Rabe legen. New Estate ist mit seinen 5 Songs mein persönlicher Soundtrack des vergangenen Sommers und lässt mich so gespannt auf das weitere Schaffen von Giant Rooks warten, wie bei kaum einer anderen Band. 

Robert Frambach

 

sir Was – Digging A Tunnel

Anfang des Jahres veröffentlichte der schwedische Musiker  Joel Westberg alias sir Was mit seinem Debütalbum Digging A Tunnel etwas ganz und gar eigenes. Mit einem ausgeklügelten Mix aus Indie, Electronica und Trip Pop gibt er seiner Musik eine vollkommen eigene Note und sticht damit von Beginn an heraus. Hier ein Vogelgezwitscher, da eine murmelnde  Menschenmenge, der Countdown eines Raketenstarts – seine Musik besticht durch Atmosphäre; durch eine gewissen Dramatik, welche wie ein gutes Buch direkt in ihren Bann zieht. Rastlos ziehen sich Drumbeats um klare Gitarrenmelodien und bilden zusammen mit der gekonnt roh-bearbeiteten Stimme ein Erlebnis für die Ohren. 15 Jahre hat sir Was sich dafür Zeit genommen und das merkt man auch. Man darf gespannt sein, welche Einflüsse und Ideen auf seinen hoffentlich kommenden Projekten zu hören sein werden.

René Kettermann

 

Harry Styles – Harry Styles

Harry Styles läutete mit seiner epischen Ballade Sign of the Times eine der  größten musikalischen Überraschungen in diesem Jahr ein. Inklusive Pathos in seiner  wohl schönst möglichen Form. Und auch das darauffolgende, selbstbetitelte Album konnte ordentlich nachliefern. Songs wie Sweet Creature oder From the Dining Table wirken mit ihrer Low-Key-Instrumentalbegleitung in Kombination mit Styles’ wunderbarer und angenehmer Stimme besonders intim und persönlich.  Als Kontrast dazu gibt’s zudem die ein oder andere rockige Nummer (Kiwi, Only Angel), die mit  röhrender E-Gitarre und den kräftigen Drums der Band nach vorne geht. Obgleich das Album textlich nicht unbedingt eine Offenbarung ist, bringt „When I run out of road, you bring me home“ die Stimmung auf Harry Styles doch auf den Punkt. Ein niveauvolles Album, das neben dem Schwarm von EDM-Pop erfrischend und wohlklingend aufblüht.

Carolin Landreh

 

The xx – I See You

Mit ihrer schüchternen Art und minimalistischem Sound sind The xx bei ihrem Debüt 2009 als Retter des Indie-Pop in die Musikgeschichte eingegangen. 2017 folgte das dritte Album I See You, welches erfolgsmäßig an die Vorgänger xx und Coexist anschliesst. Doch schon bei dem eröffnenden Song Dangerous merkt man: der Sound der Londoner Band hat sich verändert. Nicht zu überhören ist der Einfluss von Jamie xx, der sonst nur im Hintergrund die Fäden gezogen hat. Die sonst so vor Melancholie strotzenden Songs werden hinterlegt mit Elektro-Beats, wodurch das Album ungewohnt tanzbar und beschwingt wirkt. Mit I See You wollten The xx den eigenen Klischees entkommen und sich keine Restriktionen setzen. So wechseln sich die Stimmen von Romy und Oliver wie gewohnt im harmonischen Einklang ab. Allerdings lassen sie ihren Emotionen diesmal ohne großes hin und her freien Lauf und wirken offener und selbstbewusster als zuvor. Auch diesmal haben es The xx geschafft, einen unvergleichlichen Sound zu kreieren, der einen als Zuhörer*in zum Vor-Sich-Hin-Träumen verleitet.

Isabela Przywara

 

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