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K.I.Z – Rap über Hass
Rappen ist Silber, K.I.Z. ist Gold – das neue Album Rap über Hass ist ein Ritt auf der Messerklinge zwischen Gewaltverherrlichung und Deutschlandfeindlichkeit – das Übliche also.
Wenn man das neue K.I.Z.-Album hört, ist es ein bisschen als würde man mit deutschen Großeltern am Esstisch sitzen und über Politik diskutieren – ein schmaler Grat zwischen lustig und wahr und radikal und rassistisch. Der Unterschied ist nur, Tarek, Nico und Maxim meinen es satirisch – also vermutlich. Erst kürzlich betonte das Rap-Trio in einem Interview mit dem Tagesspiegel, dass die Lines gar nicht satirisch gemeint seien: „Wir haben uns nie auf Satire berufen.“
„Wenn du in die Crew hineinwillst, bring mir den Kopf von Julian Reichelt.“
Der Einstieg in den ersten Song des Albums, der wie das Album selbst heißt, ist eine Passage aus einer Rede des AfD-Abgeordneten Bernd Baumann im Deutschen Bundestag. Während der Politiker betont, wie „christenfeindlich“ und „deutschfeindlich“ die Rapper seien, braten K.I.Z. sich darauf in ihrer ersten Line erstmal einen „Säugling medium rare“. Falls Baumann gedacht hat, der Appell stelle ein Problem für die Rapper dar, täuscht er sich höchstwahrscheinlich, denn mit ihren Lines haben es K.I.Z. damit weiter geschafft als viele angehende Politikerinnen und Politiker – nämlich in den Bundestag. Und das sollte für die Rapper ein Festmahl sein.
20-Jahre-Fick-deine-Mutter-Rap
Wie man die drei Berliner Rapper kennt, darf es an Beleidigungen natürlich nicht mangeln. Unterfickt und geistig behindert oder VIP in der Psychiatrie enthalten ungefähr so viele Respektlosigkeiten wie der Duden insgesamt – ob „Partyluder“, „unterfickter Hohlkopp“ oder „Schwulenfresse“ – der Rap’sche Fachjargon ist solide vertreten.
Was darüber hinaus beim Hören von Unterfickt und geistig behindert auffällt: die Melodie des Refrains ist vom 90-er Song Intergalactic von den Beastie Boys geklaut und auch das Video ist eine deutliche Hommage an den Stil der amerikanischen Hip-Hop-Band.
Außerdem ein klassisches Goodie: K.I.Z. holen unter anderem in Ich ficke euch alle die guten alten Deine-Mutter-Witze wieder zum Vorschein, sodass sich ganz bestimmt niemand ungefickt am Ende des Albums fühlt („Zerreiße die Jogginghose, zeige deiner Mutter eine seltene Lachsart“). Denn auch an Frauenfeindlichkeit darf es in Rap über Hass nicht mangeln, sie ist sogar so präsent, dass „Leute denken, wir hätten was aus der Bibel gerappt“, wie Maxim textet.
„Ich fick zwei Girls Backstage mit ‘ner Pandamaske, damit sie rumerzählen, dass Cro ‘nen kleinen Schwanz hat.“
Man kann ja über die Berliner Rapper sagen, was man will, jedes Adjektiv von drüber bis respektlos über schlimm trifft auf mindestens eine Line zu. Aber keiner beherrscht das Game, sich selbst zu verspotten, so gut wie K.I.Z. – und dass Rapper sich mal nicht selbst überglorifizieren, ist schlichtweg die absolute Ausnahme im Deutschrap.
Und was soll eigentlich dieses Katzenlady-Cover? Eine Frage, auf die vermutlich nicht mal K.I.Z. eine richtige Antwort haben. Auf keinem der fünf bisherigen Albencover war eine Frau zu sehen – und von einem schaukelnden Kind an einem Panzer bis zum Suizid war alles vertreten. Und jetzt dieses nett lächelnde Mädchen mit dieser süßen Katze auf dem Arm. Und dann noch dieses penetrante, biedere Beige. Die Antwort auf die Frage „Warum?“ werden wir wohl nicht bekommen. Vielleicht Satire auf der dreizehnten Metaebene.
Die Hahnenkampf-Huldigung
Rap über Hass wirkt fast wie eine Hommage an das Album Hahnenkampf aus dem Jahr 2007 – die Beats sind hart, elektronisch und deutlich polarisierender als noch im zuletzt 2015 erschienenen Album Hurra die Welt geht unter. Es scheint, als hätten Tarek, Nico und Maxim in den letzten fünf Jahren ihre Wut gesammelt, um jetzt ein Feuerwerk aus Sex und Hass mit einem Feuerzeug der Provokation zu zünden. Und dabei bekommt jeder einen Böller ab, der nicht der linken Szene angehört.
Wir halten also fest: Mit Oma und Opa über Politik diskutieren, ist eine Achterbahnfahrt zwischen süß und rassistisch, mit K.I.Z. Kaffee trinken und diskutieren, ist ein Roadtrip zwischen Party, Sex und Beleidigungen – um es in K.I.Z.-Sprache zu sagen: Quasi ein Gangbang, nur eben einer, wo die Linken die Rechten ficken.
Bild: K.I.Z / Vertigo Berlin