Musik | Hörtest
Paula Hartmann – Nie verliebt
Mit dem Untertitel Und andere Gute-Nacht-Geschichten stellt sie ihre Musik in die Tradition einer alten literarischen Gattung; die des Märchens. Gleichzeitig verweist sie auf die Tageszeit, die ihre Songs inhaltlich am meisten geprägt hat. Denn das Album spielt sich in den dunklen Nächten einer urbanen Szene ab. Und mit dem Haupttitel Nie verliebt wird schnell klar, dass es sich um Gefühle dreht – besonders die melancholisch aufgeladenen. Der Titel steht, fehlt nur noch die Interpretin.
Die ist Paula Hartmann. Nie verliebt ist ihr Debütalbum, dem sie einige Singles schon 2021 vorweg geschickt hat und das sie nun, ein Jahr später, mit insgesamt neun Liedern und einem Feature mit großem Namen veröffentlichen konnte. Doch zu dem Feature später mehr. Erst ist da Paula.
Ursprünglich Schauspielerin, hatte Paula Hartmann schon in jungen Jahren einige Rollen im Deutschen Film und Fernsehen. Selbst sagt sie, dass sie erst zu sehr in der Rolle der Schauspielerin festsaß, um mit der Musik anzufangen: „Ich hab‘ mich nie getraut, das weiter zu denken. Weil ich halt schon die Schauspielerin war.“
Doch weiter gedacht hat sie es dann schließlich doch. Geboren 2001, gehört Paula klar zur Gen Z. Diese mag man finden, wie man möchte. Klar ist jedoch: Obwohl gerade Anfang zwanzig, schafft sie es doch, die ganz großen Gefühle in ihre Lieder zu packen. Und das, obwohl sie diese kaum anspricht. Ihr gelingt das, weil sie die richtigen Wörter findet, um Emotionen, die vielleicht nie ganz klar ausgedrückt werden können, ziemlich zielsicher zu umschreiben. Dafür nutzt sie Bilder, die an die Tradition des Märchens erinnern. Dabei lässt sie aber immer Alltagsbeobachtungen einfließen, die sich zu dem Ausdruck eines Gefühls addieren. So singt sie in dem Song Nie verliebt, von dem das Album seinen Namen hat:
„Dusche, putz‘ Zähne und Aspirin rein. Haare nach hinten, die Stimme ist tief. Ich war noch nie verliebt.“
Ihre Lyrics zeichnen dabei das Bild einer urbanen Melancholie, die auf betäubenden Herzschmerz trifft und dennoch immer wieder auch schöne Momente zulässt. Die in Berlin geborene Paula ist dabei nicht abschätzig, sondern hypt das Stadtleben, trotz oder vielleicht eher wegen der negativen Seiten. Dabei rutscht sie aber auch manchmal ins frühe 2010er-Emo-Genre ab, was dann auch von ihrem einzigen Feature verdeutlicht wird. Denn das ist Casper, der 2011 mit seinem Album XOXO den Emo-Deutschrap geprägt hat wie kein anderer. Das gelang ihm, weil er offen über seine depressiven Stimmungen mit rauchiger, einprägsamer Stimme gerappt und somit eine Identifikationsfläche geboten hat, die in Deutschland bislang fehlte. Und dies macht er auch in dem Song Kein Happy End, in den er sich thematisch und vom Sound her eingliedert, als wäre seit 2011 kaum Zeit vergangen. Das mag unter anderem daran liegen, dass einer der Producer Biztram ist, der sich mit Rap auskennt und auch schon Lieder vom besagten Casper-Album produziert hat.
Soundtechnisch ist das Album an der deutschen Rap-Szene angelegt. Denn Nie verliebt ist sehr beatlastig und der Fokus steht auf den Lyrics, auch wenn Paula diese singt und nicht rappt. Ihre feminine Stimme wird dabei klar von den Instrumentals abgehoben. Und auch wenn Samples in Paulas Album nur sehr zurückhaltend eingesetzt sind und statt Klavier eher der Synthesizer zum Einsatz kommt, erinnert der Aufbau an melancholischen Deutschrap der 2010er Jahre. Jedoch drückt sich das Album vom Sound her durch seinen Minimalismus aus, der fast schon einseitig klingen könnte, wenn er nicht durch die große Detailverliebtheit der Lyrics ausgeglichen werden würde.
Bei so viel Fokus auf das Inhaltliche wird dieses Album kaum eins sein, was die großen Theoretiker:innen der Musikproduktion begeistert. Und ihre Themen wirken auf den ersten Blick vielleicht relativ einseitig, geben dann aber doch Stoff für facettenreiche Großstadtmärchen. Es muss aber klargestellt werden, dass sie oft aus einer privilegierten Sicht erzählt, die Geld und Ruhm mit einschließt. Doch ihren männlichen Kollegen nimmt das niemand so sehr krumm und das Album ist nun mal an Paulas eigener Biographie angelegt.
Ob es sie nach ihrem Debütalbum wieder in Richtung Schauspielerei trägt, bleibt abzuwarten. Dennoch ist klar: Paula Hartmann ist der Sprung in das Musikbusiness gelungen. Das Album regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und lässt ausgeprägte Bilder in den Köpfen entstehen – mal schön, mal hässlich, aber stets voller Poesie.
Foto: Paula Hartmann / Four Music Productions